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Julian Freche

Politische Milieus in Lübeck während der Weimarer Republik

Nach der Novemberrevolution 1919 etablierte sich mit der Weimarer Republik die erste parlamentarische Demokratie in Deutschland. Zu Beginn musste sie die Kosten des verlorenen Kriegs und die politische Hypothek der Dolchstoßlegende tragen; am Ende traf sie die Weltwirtschaftskrise und das Erstarken antidemokratischer Kräfte. In der Zeit des Bestehens der Weimarer Republik kam es zu radikalen Entwicklungen, u. a. im sozialen Bereich. Von besonderer Bedeutung war die beginnende Auflösung der Klassengesellschaft, die sich während der Industrialisierung herausgebildet hatte. Ausdrucksform dieser Klassengesellschaft waren politische Milieus, die das Leben der Zugehörigen von Geburt an bestimmten.

Milieu als sozialer und politischer Begriff beschreibt ein kulturell geformtes Wahlverhalten, etwa die dauerhafte Wählerpräferenz während des Kaiserreichs. Angehörige des Arbeitermilieus wählten sehr selten andere Parteien als die SPD. Während der Weimarer Republik blieb die kulturelle, wirtschaftliche und soziale Spaltung der Gesellschaft zwar weiterhin bestehen, aber diese wurde aufgrund des einsetzenden Demokratisierungsprozesses geringer. Die Lebensverhältnisse und Aufstiegschancen der Arbeiter etwa verbesserten sich signifikant und damit kam es auch zu einer Aufweichung der bisherigen festen Wahlpräferenz. Deshalb können die Milieus nicht nach Parteien aufgeschlüsselt werden, stattdessen erfolgt die Abgrenzung nach größeren gesellschaftlichen und politischen Strömungen. Als Hauptgruppen für Lübeck ergeben sich dabei das sozialistische und das bürgerlich-liberale Milieu.

Die Untersuchung erfolgt zunächst über eine Auswertung der Ergebnisse der nationalen und kommunalen Wahlen, anschließend wird die Überlieferung staatlicher (Senat, Bürgerschaft, Ämter, Behörden) und privater Akteure (Parteien, Vereine und Gesellschaften) untersucht. Zudem sollen Zeitungen ausgewertet werden.

Der Fokus des Forschungsvorhabens liegt auf der Frage, wie sich die politischen Milieus in Lübeck während der Weimarer Republik entwickelt haben. Untersucht wird hierfür, wie sich die Milieus organisierten, wie sie sich voneinander abgrenzten und inwieweit sich dies im öffentlichen Leben niederschlug. Ziel ist es, die Milieustrukturen in Lübeck zu rekonstruieren und ihre Entwicklung nachzuzeichnen.

 

Julian Freche studierte Geschichte und Prähistorische und Historische Archäologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (2006-2013). Parallel dazu arbeitete er ab 2010 als freier Mitarbeiter im Landeskirchlichen Archiv Kiel. Nach seinem Studium war er als Wissenschaftliche Hilfskraft für das Projekt „Kiel und die Marine: 150 Jahre gemeinsame Geschichte“ am Lehrstuhl für Regionalgeschichte in Kiel tätig (2013-2014). Im Rahmen dieser Arbeit fungierte er auch als Kurator für die Ausstellung „Kiel als Marinestadt 1865-1914“ im Stadt- und Schifffahrtsmuseum Kiel. Zwischen Januar 2015 und Mai 2017 war er Promotionsstipendiat am ZKFL, im Anschluss daran begann er ein Volontariat im Kieler Museum.


Seine Dissertation mit dem Titel „Milieus in Lübeck während der Weimarer Republik (1919-1933)“ wurde 2018 an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel angenommen und ist 2019 als Buch im Wachholtz Verlag in Kiel erschienen.