Oda Benthien
Ökologisch wertvolle Kulturlandschaft im Klimawandel: Untersuchungen im Lübecker Naturschutzgebiet ›Dummersdorfer Ufer‹
Welche Herausforderungen stellt der Klimawandel in Zukunft an den Erhalt von naturnahen, artenreichen Kulturlandschaften? Diese Frage soll am Beispiel des Lübecker Naturschutzgebietes ›Dummersdorfer Ufer‹ untersucht werden, das nördlich der Stadt entlang der Trave liegt.
Aus ökologischer Sicht stellt das Gebiet mit seinen Magerrasengesellschaften einen wertvollen Biodiversitäts-Hotspot dar, in dem viele licht- und wärmeliebende Arten wie die Berg-Silge oder das seltene Nelkenköpfchen heimisch sind. Die Pflanzengesellschaften der Magerrasen entwickeln sich an besonders nährstoffarmen, also ›mageren‹, Standorten und besitzen in der Regel eine hohe Trockenheitsresistenz. Entscheidend bei der Entstehung ist auch der Einfluss von Weidetieren. Der Ballastberg und der Treidelpfad wurden schon seit Jahrhunderten weidewirtschaftlich genutzt. Das Nutzvieh (Schafe, Ziegen, Rinder) trieb man durch die abgeholzten Niederwälder, wodurch nachwachsende junge Bäume und Sträucher verbissen wurden und kein neuer Wald entstehen konnte. Dadurch konnten sich zahlreiche Kraut- und Halbstrauchpflanzen, die typische Artenzusammensetzung des Magerrasens, erfolgreich entwickeln. Das Dummersdorfer Ufer ist also eine Kulturlandschaft, das heißt eine durch menschliche Einflussnahme entstandene Naturlandschaft. Um sie weiterhin offen zu halten und damit zu erhalten, wird sie mit Schafen und Ziegen beweidet – eine bewährte Pflegemaßnahme, die derzeit der Landschaftspflegeverein Dummersdorfer Ufer e.V. übernimmt. Zusätzlich zum hohen ökologischen Wert spielt das Dummersdorfer Ufer als Naherholungsgebiet für die Lübecker Bevölkerung und den Tourismus eine wichtige Rolle.
Ziel des Forschungsprojektes ist es, die Auswirkungen von Klimawandel und Beweidung auf die Magerrasengesellschaft des Dummersdorfer Ufers zu untersuchen. Die erworbenen Erkenntnisse sollen dann in ein nachhaltiges Flächennutzungs- und Pflegekonzept fließen. Da die Zukunftsfähigkeit solcher Kulturlandschaften neben einem nachhaltigen Pflegemanagement auch von der Wert-schätzung durch die Gesellschaft abhängt, liegt ein weiterer Fokus auf der Ausarbeitung eines Umweltbildungskonzeptes zur erfolgreichen Vermittlung der komplexen Forschungsergebnisse im Sinne der Bildung für eine Nachhaltige Entwicklung (BfNE).
Das Projekt verfolgt drei Schwerpunkte:
Schwerpunkt Beweidung (Tier-Pflanze-Interaktionen): Die Interaktionen zwischen Herbivoren und (Nahrungs-)Pflanzen in einem Ökosystem sind komplex. Um die genauen Auswirkungen auf die Vegetation herauszufinden, werden beweidete mit nicht beweideten Flächen über mehrere Vegetationsperioden (= Jahre) verglichen. Während Verbiss und Vertritt die Vegetation teilweise schädigen, stellen Herbivoren als potenzielle Saatverbreiter wiederum einen großen Nutzen für viele Pflanzen dar. Untersuchungen zum Saattransport sind daher eingeplant. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Frage, welche Pflanzen die Schafe fressen und warum sie das tun. Dazu werden gesammelte Kotproben hinsichtlich ihrer Pflanzenzusammensetzung analysiert. Außerdem werden im Labor die chemischen Pflanzeninhaltsstoffe (zum Beispiel Stickstoff und Tannine) analysiert, um Aussagen über die Nahrungsqualität machen zu können.
Schwerpunkt Klimawandel: Im Zuge des anthropogen induzierten Klimawandels werden sich aktuellen Klimasimulationen zufolge die Umweltbedingungen mittel- und langfristig entscheidend verändern. Für den norddeutschen Raum sind im Wesentlichen höhere Temperaturen sowie eine Veränderung der Niederschlagsverteilung (trockenere Sommer, nassere Winter) bis 2100 zu erwarten. Die veränderten Umweltbedingungen können direkte (z.B. Zu- und Abwanderung von Arten) und indirekte (z.B. Änderung der Nahrungsqualität) Auswirkungen haben. Um die vielschichtigen Effekte von klimawandelbedingten Veränderungen in einem Ökosystem wie dem Dummersdorfer Ufer zu verstehen, finden wissenschaftliche Untersuchungen statt, welche auf Ökosystemebene experimentell die Auswirkungen nachstellen. Dazu wurden bereits 2012 im Bereich der Hirtenberg- Halbinsel (›Stülper Huk‹) verschiedene Versuchsaufbauten installiert, die Temperatur- und Niederschlagsveränderungen simulieren. Um überlagernde Effekte durch Beweidung auszuschließen sind die einzelnen Standorte umzäunt. Neben den Felduntersuchungen finden zur Absicherung der Ergebnisse unter Laborbedingungen vergleichende Versuche im Gewächshaus der Abteilung Botanik (Biozentrum Klein Flottbek) der Universität Hamburg statt. Besonders spannend wird die Frage sein, ob sich in der Zukunft die Nahrungsqualität derartig verändert, dass die Nahrungswahl der Weidetiere so stark beeinflusst wird, dass eine Anpassung des Pflegekonzeptes (z.B. andere Weidetierzusammensetzung) in Betracht gezogen werden muss.
Schwerpunkt Umweltbildung: Im Rahmen des Lübecker Modells wird parallel zum Promotionsvorhaben ein wissenschaftliches Volontariat im Museum für Natur und Umwelt Lübeck absolviert; dieses ist auch eine Bildungseinrichtung für Nachhaltige Entwicklung (BNE). Im Zuge dieser Tätigkeit wird dort ein Umweltbildungskonzept im Sinne der BfNE entwickelt, das die komplexen Ergebnisse der Forschungsarbeit der Öffentlichkeit zugänglich macht.
Oda Benthien studierte Diplom-Umweltwissenschaften an der Universität Lüneburg (2000–2006), arbeitete danach an der Universität Kassel (2007), am Institut für Umweltkommunikation der Universität Lüneburg (2008–2009) und zuletzt am Leibniz- Institut für Ostseeforschung Warnemünde (2009–2011). Seit 2012 promoviert sie an der Universität Hamburg und absolviert ein wissenschaftliches Volontariat am Museum für Natur und Umwelt Lübeck (Lübecker Modell).
2018 wurde sie mit ihrer Arbeit „Impact of grazing and climate change on species composition and diversity in the semi-natural dry grassland habitat ,,Dummersdorfer Ufer" an der Universität Hamburg, promoviert.