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Rebecca Pfaff

Städtische Straßensysteme und Infrastruktur im öffentlichen und privaten Raum des mittelalterlichen Lübecks

Bis heute ist die allgemeine Vorstellung des Mittelalters geprägt vom Bild schmutziger, stinkender Straßen, auf denen Abfall und Fäkalien wahllos entsorgt wurden. Doch entgegen dieser Vorstellung verfügten auch mittelalterliche Städte über komplexe Systeme zur Abfallentsorgung und Wasserversorgung, und die Stadtbevölkerung war angehalten, ihre Straßen sauber zu halten. Die Bereitstellung von Infrastruktur wurde zunehmend als Aufgabe der städtischen Obrigkeit verstanden und es kam zu Überschneidungen von öffentlichen und privaten Zuständigkeitsbereichen.

Die Erforschung der mittelalterlichen Infrastruktur ermöglicht einen Blick auf die Interaktion zwischen Bürger:innen und Stadt.

In einem interdisziplinären Ansatz, der archäologische, quellenkritische und biowissenschaftliche Analysen verbindet, wird in dieser Arbeit der Frage nachgegangen, wie sich das Zusammenspiel von Stadt und Bürgerschaft im mittelalterlichen Lübeck auf die Infrastruktur auswirkte und welche Rolle dabei soziale Verhältnisse spielten. Ziel ist es, das Gründungsviertel anderen Bereichen der Lübecker Altstadt vergleichend gegenüberzustellen. Die Forschungsergebnisse sollen dabei auch in einen größeren Kontext der Betrachtung mit anderen Hansestädten eingebracht werden.

Zentraler Gegenstand der Untersuchungen sind die Straßen Lübecks und die in ihnen verborgenen archäologischen Befunde. Dabei möchte ich mich auf Strukturen konzentrieren, die auch heute noch zu kritischen Sektoren der Infrastruktur gehören. Dazu zählen die mittelalterlichen Wasserversorgungen und Abfallbeseitigungen sowie die Straßen selbst. Grundlage für das Forschungsvorhaben sind die umfangreichen Erkenntnisse, die bei der Großgrabung im Gründungsviertel und den Anschlussuntersuchungen in den Jahren 2009 bis 2016 gewonnen werden konnten. Die Forschungsarbeit wird in enger Zusammenarbeit mit der Abteilung Archäologie und Denkmalpflege realisiert, wodurch zusätzlich Ergebnisse laufender und neuer Grabungen einbezogen werden können.

Neben archäologischen Befunden bilden schriftliche Überlieferungen den zweiten wichtigen Bestandteil der Quellenbasis. Der Fokus liegt hierbei auf Dokumenten, die Aufschluss über die städtischen Ordnungen und Zuständigkeitskonflikte zwischen Bürger:innen und Stadt geben, wie zum Beispiel städtische Regelungen, Beschwerden und Gerichtsakten.

Die dritte methodische Grundlage der Arbeit bilden biowissenschaftliche Untersuchungen der archäologischen Befunde. DNA-Analysen und botanische Untersuchungen lassen Rückschlüsse auf die städtische Hygiene und die Alltagsgewohnheiten der Stadtbewohner zu. Mittels Beprobung von Abfallschichten im Straßenbereich soll versucht werden, sich dem Alltagsleben der Menschen im mittelalterlichen Lübeck zu nähern. Durch die Forschungen im Gründungsviertel steht hierfür bereits eine umfangreiche Datenbasis zur Verfügung, an welche die Untersuchungen anknüpfen können.

 

Rebecca Pfaff absolvierte von 2016 bis 2019 ihr Bachelorstudium in den Fächern Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie und Geschichte an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Im Anschluss studierte sie Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg; 2023 schloss sie das Studium mit dem Master of Arts ab. Ihre Masterarbeit verfasste sie in Kooperation mit dem Bereich Archäologie und Denkmalpflege der Hansestadt Lübeck zu mittelalterlichen Kinderschuhen aus dem Lübecker Gründungsviertel und der Hundestraße 95.

Während ihres Masterstudiums war sie als studentische Hilfskraft an dem Forschungsprojekt "Socioeconomic spaces crossing borders: Archäologische Untersuchungen einer Stadt an der bayerisch-tschechischen Grenze" am Lehrstuhl für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit beteiligt und leitete das Tutorium des Lehrstuhls. Im Rahmen eines Projekts der Universität Bamberg wirkte sie bei der Ausarbeitung einer Ausstellung zum Bamberger Dom mit. Darüber hinaus absolvierte sie mehrere Praktika im musealen Bereich. Sie engagierte sich während ihrer Zeit an der Universität Bamberg außerdem im dortigen Arbeitskreis Archäologie und unterstützte den museumspädagogischen Verein AGIL e.V. bei Schulprojekten. Neben ihrem Masterstudium arbeitete Rebecca Pfaff als Werksstudentin in einer Bamberger Grabungsfirma und konnte so zusätzlich zu den universitären Lehrgrabungen Erfahrungen in der archäologischen Feldarbeit sammeln.

Seit April 2024 wird ihr Projekt im Rahmen des Lübecker Modells mit einer Volontariatsstelle im Bereich der Archäologie und Denkmalpflege der Hansestadt Lübeck gefördert. Die Promotion wird betreut von Prof. Dr. Rainer Schreg, Inhaber des Lehrstuhls für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit an der Universität Bamberg.

E-Mail: rebecca.pfaff@uni-luebeck.de